8. Sprachunterricht auf dem Wege nach Pye

Die Landschaft wird immer trockener. Die hölzernen Ochsenkarren ziehen in einer Wolke aus Staub auf einem Seitenstreifen der Straße dahin. Hoch oben auf dem Reisstroh sitzt der Bauer. Tandha, unsere einheimische Führerin, sagt "Gras". Wir sagen ihr, dann sei das wohl "Heu". Was ist Heu? Heu ist getrocknetes Gras. Aber das, was die Wagen geladen haben, sei vermutlich Stroh, Reisstroh. Was ist Stroh? Stroh ist nicht Heu. Stroh ist dicker, aus den Stängeln des Getreides. Stroh kann auch im Kopf von Menschen sein. Manche Menschen haben einen Strohkopf, dann ist da nichts drin im Kopf, dann sind sie dumm wie Bohnenstroh. Ah, ich habe verstanden, sagt Tandha, doof bleibt doof. Dann beugt sie sich zu Tina und sagt flüsternd: Scheißhaus, das ist ein WC, das nicht so sauber ist. Aber Tandha, das sagt man nicht. Sie wird übermütig: Jetzt machen wir einen Fotostopp und eine Pinkelpause. Aber, das ist nicht vornehm, das sagt man besser nicht, das ist kein gutes Deutsch. Hat mir die letzte Gruppe gesagt, auch, es ist schweineheiß und saukalt. Ja, ja, aber trotzdem.

Die Fahrt nach Bagan dauert 12 Stunden, wieder genug Zeit, unseren Sprachunterricht fortzusetzen. Nachdem Gudrun ihre Meinung zu ihrem früheren Heimatland DDR dargelegt hat und die historische Entwicklung auf den Satz "Der ostdeutsche Staat wurde von der Geschichte hinweggeputzt", reduziert hat, können wir Tandha keine inhaltliche Diskussion zumuten, erst muss das Vokabular erklärt werden. Weißt du, was geschieht, wenn ich jemanden hinweg putze, Tandha, wenn ich sage, ich putze dich weg? Dann bleibt von dir nichts mehr übrig. Nichts. Es ist dann alles sauber - wieder sauber? Du kennst doch eine Frau, die putzt, die das Zimmer sauber fegt, die den Schmutz wegfegt. Du kannst auch den Teller aufputzen, dann ist nichts mehr auf dem Teller. Siehst du, aber in den ostdeutschen Ländern sind noch Leute, was hat die Geschichte denn weggeputzt? Schön wäre es gewesen, wenn die Ostdeutschen eine Rolle als Ausputzer der deutschen Geschichte übernommen hätten und die ungerechte Landverteilung aus der frühen deutschen Geschichte ausgeputzt hätten. Dann hätten sie als letzte Abwehrspieler wie im Fußball den Ausputzer gespielt. Leider haben sie sich wegputzen lassen und jetzt sind die siegreichen alten Länder dabei, diese neuen Länder, die alte DDR, wieder herauszuputzen, damit sie was hermachen. Ich merke, ich mute ihr zuviel zu. Also, liebe Tandha, sage nie, ich putze dich weg, dann drohst du etwas Schreckliches an, dann richtest du eine Pistole auf den Menschen. Sage lieber, heute hast du dich aber besonders hübsch herausgeputzt. Tandha schwirrt der Kopf, sie fingert nach ihrem Riechpulver und nach einem Zettel. Sie lehnt sich zurück. Sie braucht eine Pause, aber den Satz "Ich putze mich heraus" schreibt sie vorher in ihr Notizbuch.

Tandha schläft, bis wir auf einen Lkw-Fahrer treffen, der auf der Straße sitzt und den Motor seines Fahrzeuges putzt. Aber er putzt ihn nicht heraus, meint Tandha dazu.

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