Myoko
(auch Moloko und Mloko),
das Frühlingsfest der Apatani im Monat März

Myoko – The Great Festival of the Apa Tani  (engl. Version)

Myoko hat einen religiösen und einen sozialen Sinn.

Es soll der Frühling begrüßt werden und der Schöpfer (yullo) von Mensch und Tier verehrt werden. Da die Apatani eine intensive Landwirtschaft mit Reisfeldern, Gemüsegärten, Bambusplantagen (Hausbau) und Kiefernpflanzungen (Feuerungsholz) betreiben, sind sie sehr um das Wohlwollen der Götter und Geister der Erde bemüht.

Das Fest führt zu gegenseitigen Begegnungen der verschiedenen Dörfer und soll eine Ursache für die Friedfertigkeit der Apatani untereinander sein, die in Gegensatz steht zur Streitsucht der umliegenden Völker der Nyishi (Dafla) und Tagin.

Für die Durchführung dieses Festes bilden die neun Apatanidörfer seit alters her drei Gruppen, so dass das einzelne Dorf jedes dritte Jahr den Ablauf für die beiden anderen Dorfgruppen gestalten muss.


Zwei Priester während der Myoko-Zeremonien. Vor dem linken Hauptpriester liegt ein mit Reismehl und Reisbier vorbereitetes Schwein. Der rechte Priester opfert Hühner, spritzt das Blut an den Bambusaltar und überprüft die Leber der Tiere.

Vorbereitungen: Die Ältesten der Veranstaltergruppe lassen durch einen Priester  in der üblichen Weise das Omen überprüfen. (Unser Apatani-Guide, ein Anhänger der animistischen Danyi Piilio/Sonne-Mond-Religion, benutzt nie das Wort Schamane.) Der Priester (nyibu) wendet sich an die Götter und erkennt aus den Strukturen eines Eigelbs oder der Leber eines Hühnchens die zustimmende oder ablehnende Haltung der Götter.

1. Sind die Vorzeichen günstig, dann zieht eine Gruppe der Dörfler in den Dschungel, um einen roten Affen zu töten. Vorher opfert der Priester ein Ei und bittet die bösen Geister ihnen nicht zu folgen und die Jagd zu stören.

Nach der Tötung  tragen die Ältesten den Affen in einer Prozession ins Dorf, wobei sie Rohrwedel schwingen, tanzen und „hoh… hoh…hoh…“ rufen. Dort werden sie mit Reisbier, Fleisch u.a. begrüßt. Das Fleisch des Affen erhalten die älteren Männer. Für das Fest werden nur der Schädel und die Füße des Affen benötigt.

2. Im Dezember werden die Familienhäuser und die Zeremonialhütte repariert und aus dem Dschungel weitere Dinge für das Fest geholt.

3. Im Januar werden Vorräte für Feuerholz geschlagen und zum Haus geschafft.

4. Im Februar werden alle Feldarbeiten vorbereitet, da während des Festes nicht gearbeitet werden soll.


Apatani-Dorf Hari mit einem Bobo-Galgen

Im Zentrum jeden Clanbezirks werden etwa 10 m hohe Pfähle (BOBO POLES) aufgestellt, an deren Spitze ein Seil aus Cane befestigt wird. An diesem Seil klettern einzelne in die Höhe, schwingen hin und her und vollführen akrobatische Drehbewegungen. BOBO ist eine sportliche Übung, die gegen Tod durch Durchfall vorbeugen soll.

Ähnlich ist der Brauch TABONG während des Aran-Festes der Padam-Minyong im Siang-Bezirk und bei den buddhistischen Khambas.  Bei den Aka in Myanmar/Shan-State haben wir diese Kunststücke ebenfalls erlebt.

Das Tanzpodium LAPANG und die Götterhütte NAGO werden repariert. Nachdem der Pflaumenbaum auf dem Ritualplatz neben dem Altar geblüht hat – meist Mitte März -, kann das Fest beginnen.

Gleichzeitig wird in den Monaten Januar und Februar jährlich in den einzelnen Dörfern das 16tägige Morom-Fest begangen, bei dem auch viele Tiere geopfert werden, um die Dorfgemeinschaft mit Hilfe der Götter und Geister wohlhabend und stark zu machen.

Der Priester singt

Yato diwoo ka sakhri mi kra samani panyo bilike
Jetzt haben die Menschen unser Myoko-Fest begonnen, o Götter kommt und empfangt unsere Opfergaben.

Verlauf des Festes (2005 in Hari und Bula)

Das Fest Myoko dauert einen ganzen Monat (29 Tage).

Kurz vor dem Fest werden über den Haustüren Weidenblätter aufgehängt, um die Hausgötter zu beruhigen. Sie sollen sich nicht darüber aufregen, wenn in der nächsten Zeit viele Gäste im Haus sein werden.

An den ersten beiden Tagen - genannt O TANTII DU – (20./21.3.2005) sind wir noch nicht anwesend. Unser Guide Koj Mama hält diese Tage für uns nicht so wichtig, da die Männer eine ganze Nacht und einen Tag lang ein Trinkgelage mit Reis- und Hirsebier veranstalten. Alle Männer der anderen Dörfer sind eingeladen, um gemeinsam Reis-/Hirsebier zu trinken (O = Reis-/Hirsebier).

Am Nachmittag des dritten Tages (22.3.05, TAPAR LIIDU, Tapar = Bambusrohr-Blätter, Liidu = Prozession) beginnen die eigentlichen Zeremonien (Sama Pido).

An diesem Nachmittag ziehen die männlichen Dorfbewohner in einer Prozession um das Dorf, wobei sie Blätterwedel von Bambusrohr (Cane) schwingen. Danach versammeln sie sich bei der NAGO-Hütte. (Jeder Clan des Dorfes hat eine eigene Nago-Hütte und einen eigenen Opferplatz für ihre Schweine.)


Ein Hauptpriester/Schamane während des Myoko-Festes mit Affenschädel und Cane-Zweig in der linken Hand und Reisbier-Kalebasse und Beschwörungsstock in der rechten Hand

Der Priester singt

O UYU Kiri, Kilo, Siki, (Aufzählung weiterer Götter)….die Menschen laden dich ein zu diesem Fest; wir haben den Affenschädel nur für dich gebracht; nimm unsere Opfer an und gib uns ein glückliches Leben.

In der Zwischenzeit ist ein Priester mit dem Affenschädel, einem Ei und einem Caneblatt in diese Hütte gegangen. Er opfert ein Ei und macht weitere Zeremonien mit Gebeten und Gesängen, wobei er den Gott KIRI (und seine Gefährtin KILO) bittet, in der Hütte einzuziehen. Neben der Hütte betet ein weiterer Priester und opfert anschließend ein Schwein. Der Schamane in vollem Festschmuck singt etwa 3-4 Stunden über die Entstehung des Myoko-Rituals, über die Entwicklung von Götter-, Menschenwelt, der Natur und des Universums.

Die Männer mit den Blattwedeln kommen immer näher zur Nago-Hütte und rufen Hoo –Hoo –Hoo. Aber sie müssen warten. Erst wenn sich das Bambusblatt in einer Öffnung des Schädels sich bewegt, ist dies ein Zeichen, dass der Gott angekommen ist.


Rufe der Gläubigen

Danach legen die Männer ihre Wedel auf das Dach der Nago-Hütte und gehen zurück in ihre Häuser, und es werden Eier, Fleisch und aus Pflanzen gewonnenes Salz gegessen und viel Reis-/Hirsebier getrunken. – Dieser Tag gilt als der eigentliche Beginn des Festes.

Der Priester singt

 SILINDE ALINSU GRINSO GRINIKA LOCHIMI TAPIDE LOCHI PIMBRAN LIMULA PILYA KA HIBAMI HABRAN LIBROKE TORTI TORNIPA DARO DANIPA.

O, Pilyan und ihr anderen Geister, wir verehren euch heute. Segnet uns und gebt uns eine gute und starke Gesundheit, um im Dschungel zu jagen,…. usw.

Der vierte Tag (23.3.2005) ist der Tag des großen Schweineopfers – YUGIING TODU. Bereits am Abend des vorherigen Tages werden die zu opfernden Schweine eingefangen und ihre Füße gewaschen. Nachts um zwei Uhr werden sie dann zum Opferplatz (Yugiing) gebracht. Ab vier Uhr beginnt der Priester mit den Opfergesängen, die 3-4 Stunden andauern.

Später kommen jung verheiratete Frauen in Festkleidung und Festschmuck, die Eigentümer eines Opferschweins, und verteilen Reismehl und Bier über die an Vorder- und Hinterläufen gefesselten und am Boden liegenden Schweine. Einige Frauen haben mehrere 100 Rupie-Scheine an die Weste geheftet bekommen, von Dorfbewohnern, die selber keine Schweine opfern. (Diese opfern in den eigenen Häusern Hühner.)


Die Opferungszeremonie: Gesänge des Priesters und Geschrei der Schweine

Für einige ausgewählte Schweine werden direkt auf diesem Opferplatz besondere Zeremonien gemacht. Danach schneidet der Hilfspriester ihnen (bei lebendigem Leib) den Bauch auf und reißt ihnen das Herz heraus. Bei anderen Völkern (den Padam-Minyong) werden die Schweine durch Ersticken getötet. Die anderen Schweine werden an einer Bambusstange, die durch die Vorder- und Hinterläufe geschoben wird, wieder in die Häuser gebracht. Hier müssen die Besitzer der Schweine warten, bis einer der Priester zu ihnen kommt, und wieder 1 Stunde lang die Schweine besingt, bis seine Assistenten sie tötet.

Diese ziehen den ganzen Tag von Haus zu Haus, verrichten ihre Zeremonien und töten anschließend die Schweine. Die Art der Tötung ist immer die gleiche wie oben beschrieben. Die Priester haben eigens dafür ein Körbchen, in dem sie die Herzen sammeln, die nur ihnen zustehen und die nur sie essen dürfen.

Nachdem die Priester das Haus verlassen haben, werden die Borsten der Schweine durch Abflämmen oder durch Übergießen mit heißem Wasser und anschließendem Schaben entfernt. Danach werden die Tiere zerteilt und in der Familie verteilt.

Diejenigen Familien, die ein Schwein geopfert haben, haben bestimmte Tabus zu befolgen, z.B. bestimmt der Schamane durch ein Ei-Orakel, ob der Mann oder die Frau ein Fastengebot zu beachten hat. Nach dem Ende des Fastens essen sie zuerst Eichhörnchenfleisch. Erst dann dürfen sie alles andere wieder essen.

Diese Zuteilung des Fleisches (Yajing Gyadu) folgt festen unveränderlichen Regeln:

- Das Herz bekommt der Priester.

- Den Unterkiefer bekommen Mitglieder der unteren Klasse.

- Den Oberkiefer und Rest des Kopfes erhält der ältere Bruder des Mannes.

- Die Haut (Speckschwarte) wird durch vier geteilt:

-Zwei Onkel mütterlicherseits des Mannes erhalten je ein großes Speckstück und

-Zwei Onkel mütterlicherseits der Frau erhalten je ein großes Speckstück.

-Ein schmaler Streifen ging früher an die Sklaven. Da es keine Sklaven mehr gibt, behält die Familie dieses Stück.

-Ein weiterer schmaler Streifen plus ein wenig von den Rippen erhält der „Punyan“, ein „hereditary friend“ (oft aus einem anderen Dorf). Die freundschaftliche Beziehung dieser beiden Familien wird über Generationen weitervererbt.

- Leber und Fett bekommt die Mutter der Frau.

- Die Wirbelsäule wird längs halbiert und geht zusammen mit je einer Rippe an

-die älteste Schwester des Mannes und

-die älteste Schwester der Frau.

-Das Blut wird drei Tage lang aufbewahrt. Dann wird es gekocht, mit gekochtem Reis vermischt und in dem Dorf verteilt und gegessen.

An den nächsten beiden Tagen (24./25.3.2005) kommen junge Männer, Mädchen und Frauen aus den Nachbardörfern und besuchen ihre Freunde im Fest-Dorf. Sie essen und trinken gemeinsam. Später wird auch gesungen. Bevor sie nach Hause gehen, bekommen sie große, bis 1 m lange Speckstreifen, gekochtes und rohes Kuh- oder Mithunfleisch, Salz und einen Behälter Reisbier geschenkt, was sie in ihren Kiepen nach Hause tragen. Diese Geschenke schaffen eine besonders enge Beziehung unter den Dörflern.

Wir verlassen an diesem Zeitpunkt das Fest und fahren weiter in Richtung Daporijo, der Hauptstadt der Gallong, die sich auf das Mopin-Fest vorbereiten.

An den folgenden Tagen des Myoko-Festes (vom 5.Tag an) geschieht nichts Besonderes. Diejenigen, die ein Schwein geopfert haben, dürfen während des Festes nicht auf ihre Felder. Sie gehen meist zur Jagd während dieser Zeit.

Am 9. Tag gehen die Dorfbewohner, nachdem sie sich gewaschen haben, zu ihren Feldern und fangen Fische, die sie in den Reisfeldern züchten (paddy cum fish).

Der Priester singt dann in jedem Haus.

Wir haben uns heute gewaschen in dem Fluss und Fisch gefangen. Bitte segne uns in Zukunft mit guten Dingen. Sei nicht ärgerlich wegen des Fischfangs.

Vom 15. Tag an opfern diejenigen, die bereits Schweine geopfert haben, in einer von Priestern geleiteten Zeremonie zusätzlich in ihren Häusern Hühner für ihr Wohlergehen. Dabei werden die Wohnhäuser und die Vorratshäuser mit Bambuszeichen gegen die bösen Geister geschmückt.

Der Priester singt.

Wir haben euch empfangen und geopfert, was immer uns möglich war. Bitte geht zurück zu euren verschiedenen Orten und kümmert euch um unser Wohlergehen.

Diese Zeremonien, die jeweils mit der Opferung von Hühnern, Eiern und Reisbier verbunden sind, haben wir bei unserer ersten Arunachal-Reise Anfang April 2002 erlebt.

In der Schlussphase des Festes werden die Füße des Affen benötigt für die Verabschiedung der Götter. Das geschieht am hinteren Hausfeuer des Besitzers des Bodens, auf dem neben dem Altar auch der Pflaumenbaum steht.

Am 25. Tag treffen sich die jungen Männer des Dorfes in vorher festgelegten Häusern. Die Männer der unteren Klasse bringen die Knochen der ihnen geschenkten Schweineunterkiefer mit, die später an der Wand des Hauses befestigt werden. Oberklasse (ca. 70% des Dorfes) und Unterklasse (ca. 30%) feiern gemeinsam.

Anschließend ziehen sie mit Bambusstangen zu den Feldern und stecken sie dort in die Erde. Ab diesem Zeitpunkt dürfen die Felder bestellt werden. Einige Tabus müssen aber bis zum Ende der Vegetationszeit beachtet werden.

Informationsquellen

Vor allem die detaillierten Auskünfte unseres Apatani-Guides Koj Mama.

Daneben folgende Bücher:
Takhe Kani (ein Apatani-Schreiber), The Advancing Apatanis of Arunachal Pradesh, 1993
B.B.Pandey, Festivals of Subansiri, 1981
(Beide Bücher enthalten viele Originaltexte der Apatani.)
U.G.Bower, The Hidden Land. 1952

1944/45 lebte der österreichische Ethnologe Fürer-Haimendorf mit seiner Frau 18 Monate bei den Apatani. Er veröffentlichten viele Bücher über die Kultur der Apatani.
Chr.v.Fürer-Haimendorf, The Himalayan Barbary, 1955, 1983
Deutsche Ausgabe: Glückliche Barbaren, 1956 (Der erste Teil ist spannend und sehr anschaulich erzählt mit vielen Details aus dem Leben der Stämme. Der deutsche Titel steht in Widerspruch zum Inhalt des Buches, da der Autor häufig von räuberischen und kriegerischen Auseinandersetzungen unter den Stämmen berichtet. Auch das Apatani-Tal erscheint nicht als eine „Insel des Friedens“.)
The Apatanis and their Neighbours, 1962
The Himalayan Tribes, 1980
Elf Apatani-Stumm-Filme in sw von Fürer-Haimendorf werden von der Cambridge University in digitaler Bearbeitung im Internet präsentiert:
http://www.digitalhimalaya.com/collections/haimendorf/apatani.php