Das Märchen von der armen Schreiberin Maria

Die Geschichte ist nicht neu, ihr werdet euch erinnern. Da sitzt eine Frau in einem großen Zimmer an einem großen Tisch und weint, weil sie die weißen Wände, die grauen Türen, die Kunststoffböden, die Holzstühle, die glatten Holztische verwandeln soll. Sie sitzt da unter einer gleißenden Neonröhre und starrt vor sich auf ein Blatt Papier... und sie wußte um ihr Leben keinen Rat, wie das alles, was sie sah, zu Gold werden sollte. Sie saß und dachte an die Müllerstochter, die in einer Nacht eine ganze Kammer voll Stroh in Gold verwandeln sollte und könnt sie es nicht, so müsse sie sterben. Sie saß da, kaute an ihrem Kuli , sah ihre Hände an und starrte auf ein Wort, das sie geschrieben hatte. Sie wusste nicht weiter. Sie sah, dass die Schreiberinnen an den anderen Tischen schon viele Zeilen geschrieben hatten. Sie starrte auf das Wort Hände, das sie auf den Zettel gemalt hatte.
Da nahm sie das Blatt Papier, zerriß es in viele Stücke und schrie „Ich kann nicht schreiben“. Da sprachen hinter ihr die Kleiderbügel, die dort an einer Stange hingen
Was schreist du, Mariechen ?
Weil ich nicht weiter weiß und das Papier zerrissen habe.
Da fingen die Kleiderbügel an sich zu bewegen und schlugen laut gegeneinander.
Da sprach der Staubsauger, der in einer Ecke stand.
Was schlagt ihr so laut gegeneinander, ihr Kleiderbügel ?
Sollen wir nicht schlagen ?
Das Schreibpapier ist zerrissen
Mariechen schreit.
Da warf der Sauger seinen Motor an und begann entsetzlich laut zu brummen.
Da beugte sich die graue Projektionswand von der Wand herunter.
Was brummst du so laut, Staubsauger ?
Soll ich nicht brummen ?
Das Schreibpapier ist zerrissen
Maria schreit
Die Bügel schlagen
Da meldeten sich nacheinander die leeren Papierkartons, die schwarze Jacke, das Gestell für den Projektor und die Gardine des einzigen Fensters zu Wort. Maria erinnerte sich noch an die Worte der Gardine.
Soll ich nicht flattern ?
Das Papierblatt ist zerrissen
Maria schreit
Die Bügel schlagen
Die Papierkartons fliegen durch den Raum
Die schwarze Jacke wirft mit ihren Knöpfen
Der Projektor wirft sich auf den Boden
Danach sagte die Riesenmaus aus der grossen Dreiecksfahne, die an der weißen Wand hing :
Ei, sagte sie, so will ich anfangen, über die Wände zu rollen, bis sie rot oder blau werden und die grauen Tafeln, die Neonröhren und all die Scheußlichkeiten werde ich zerbeißen.
Und so verwandelte die Riesenmaus, die an den Füßen statt der üblichen Krallen grosse Rollen trug, das Zimmer ganz und gar, und kein König, kein Gold und kein Rumpelstilzchen wurden benötigt, um alle glücklich zu machen.
Ein lautes Poltern von oben riß Maria aus ihrem Traum. Auf ihrem Blatt Papier stand die Geschichte von der Verwandlung des scheußlichen Schreibzimmers.
Und so der liebe Gott und Rumpelstilzchen es wollen, wird sich die Geschichte eines Tages so ereignen, wie ich sie erzählt habe.