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Die Kultur der Akha 
(auch Kaw oder Yi Kaw)

Djoser do mian lah guten Tag
Gulahu madeh danke
 (Akha-Sprache)

In Myanmar leben 200 000 Akha, in Thailand 50 000 (Zuwanderung seit dem Anfang des 20. Jh) und in Laos 20 000. Sie sind verwandt mit den 1,05 Mill. Hani in Yunnan/China. Tibeto-burmesische Lolo-Sprachgruppe. Die Internet-Präsens der Akha in Thailand ist beachtlich, während die Akha in Myanmar keine Seite aufzuweisen haben.

Landschaft bei den vier Akhadörfern

27. Dezember

Wir machen einen Tagesausflug zu einer Siedlungsgruppe von vier Akha-Dörfern Ho Kyin  1- 4. Als Geschenke haben wir auf Wunsch unserer Führerin für die älteren Bewohner Tigerbalsam und für die Kinder Bonbons und Luftballons mitgenommen. Unser Apatani-Führer Koj in Arunachal lehnte es ab, die Kinder zu beschenken, weil das zur aufdringlichen Bettelei verführe. Wir stimmen ihm zu, denn in Dörfern mit häufigen touristischen Besuchen kommen immer zuerst die Kinder angelaufen, um Geschenke einzufordern.

Für den Besuch der Stammesgebiete brauchen wir jedes Mal ein amtliches Permit, das wir in der Stadt bekommen. Zunächst fahren wir 50 km über eine private Straße, die ein reicher chinesischer Schweinemäster hat bauen lassen, in Richtung Tachilek/Thailand. Dann wandern wir bergauf bis 1500 m. In den Dörfern sind wir überrascht, wie ursprünglich noch alles ist. Die Frauen tragen noch ihre malerischen Hauben, ihre schwarze, selbst gewebte Kleidung mit Gamaschenstrümpfen, kurzem Rock, Jacke und großen Umhängetaschen. Auch die Männer laufen noch mit schwarzen Wickelhosen und die Kinder mit speziellen Hauben herum.

Unsere Shan-Führerin nennt die Leute schmutzig und dumm, weil sie sich vom Staat kein Geld für Maschinen leihen würden. Wir sehen, wie sie die steilen Berghänge nach der Brandrodung 3 Monate vorher mit Hacken für die Regenzeit im Juli bearbeiten. Trockenreis, Mais, Baumwolle, Gemüse, Chili, Sesam und Schlafmohn werden angebaut. Die Bambushäuser sind mit Stroh gedeckt. Ein Pferd für schwere Transporte ist vorhanden.

Früher verließen die Akha ein Dorf nicht nur, wenn die Quelle versiegt war, sondern auch, wenn Zwillinge oder missgebildete Kinder geboren worden waren, die bis vor 10 Jahren noch getötet wurden, was durch den Einfluss der Katholiken jetzt unterbleibt.

Durch die Akha Kultur zieht sich ein dualistisches Strukturierungsprinzip.

Jedes Dorf hat zwei symbolische Dorftore, die mit keinem Zaun verbunden sind. Das Haupttor ist an der höchsten Stelle des Dorfes gelegen. Das Tor markiert die Grenze zwischen den Menschen, die innerhalb wohnen, und allen anderen Lebewesen, die außen wohnen.
Neben dem Dorftor sind zwei Holzfiguren installiert: Eine männliche und eine weibliche Figur, in etwa halber Lebensgröße, deren Genitalien besonders betont sind.


Häuschen zur Bereitstellung von Opfergaben für Geister

Wie die meisten Völker Myanmars, incl. die buddhistischen Burmesen, glauben auch die Akha an Geister. Der in ganz Myanmar verbreitete Glaube an die Nats, denen man auf den Straßen und in den Häusern Schreine aufstellt, finden wir bei den Akha unter dem Namen Neqs. Sie sind in allen Elementen /Objekten in Kultur und Umwelt enthalten, und ihre Namen bezeichnen üblicher Weise die Funktion dieser Elemente. Neqs werden meist in Form von Pärchen vermenschlicht, die dann den Namen der Funktion tragen, die sie angesichts von Haus, Wasser, Reis, Wild, Krankheit etc erfüllen. Z.B.: die Hin-und-Her-Damen der Schaukel, das Auf-und-Ab-Pärchen des Weges, ....

Die Geister kamen immer wieder und begannen Hühnereier und Gemüse zu stehlen. Um zu verhindern, dass die Geister wieder Unruhe in ihrem Leben stifteten, baute der Mann am Weg, der in das Dorf führte, ein Tor. Er schnitzte zwei Figuren, einen Mann und eine Frau, um die Geisterverwandten zu beschwichtigen, dass ihre Tochter im Dorf wohlauf sei.

Als die Geister das nächste Mal auf Besuch kommen wollten, gingen sie nicht mehr weiter als bis zum Dorftor. Sie sahen die Holzfiguren und kamen zur Überzeugung, daß die Vampirfrau zufrieden mit ihrem Ehemann zusammenlebte und eine Akha Frau geworden sei. Von da an ließen sie das Paar und das Dorf in Ruhe. (Aus dem Mythos von der Vampirfrau)

Es gibt zwei Hauptkategorien von Geistern (Neqs):
1. die Innen-Neqs, die z.B. als bestimmte Schutzgeister an bedeutenden Plätzen oder als Gegenstände anwesend sind, wie die Reisdame, das Wasserrohrpärchen, der Jagdjüngling.
2. die Außen-Neqs, die als störende Kräfte immer wieder hereinbrechen und Prozesse der Produktion und Reproduktion stören.

Am Querbalken des Tores sind eine oder mehrere Zickzack-Linien eingeritzt. Das Motiv steht für den langen Weg in die Berge - bergauf und bergab -, den die Akha seit Generationen zurückgelegt haben. Auf dem Querbalken sind aus Holz geschnitzte Symbole montiert: Vögel, Girlanden und Dalehs, aber auch Gewehre, Flugzeuge und Kreisel. Die Dalehs sind aus Bambus geflochtene Tabusymbole, die  manchmal als Augen, manchmal als Sterne interpretiert werden.

Der Ahnenkultplatz, ein spezieller Korb, ist immer auf der Frauenseite neben dem Hauptpfosten untergebracht.

 Die patriachalische Ahnenreihe zusammen mit den ihnen gewidmeten Darbringungen bilden das Rückgrat der Akha Weltanschauung.

Im Akhazang wird die Weisheit von 64 Generationen patrilinearer Nachfolge während des langen Weges von den tibetischen Grenzgebieten über China nach Burma und nach Thailand mündlich überliefert. Es beschreibt, wann, wie und welcher Wald in ein Feld umgewandelt wird, wie Gemüse und Reis gepflanzt und geerntet wird, wie Dörfer gegründet und Häuser gebaut werden, wie Tiere gehalten und geschlachtet werden und wie man sie zerteilt, wie Kinder großgezogen werden und wie mit Nicht-Akha umgegangen wird.

Dachgiebelsparren sind zwar in Südostasien weit verbreitet, nicht aber bei den Völkern in Nordthailand, die im gleichen Gebiet wie die Akha leben. Daher kann man dort ein Akha Dorf unter anderem gleich an den Giebelsparren erkennen. Bei den Akha ist es üblich, dass jedes Haus überkreuzte Bambusstäbe als Giebelhörner trägt. Giebelsparren sind auch an allen Reisscheunen und einigen Feldhütten anzufinden. Im Gegensatz zu anderen Feldfrüchten wird schließlich dem Reis eine Seele zugesprochen. In Zentral- und SO-Asien ist generell das Büffelhörnermotiv das dominanteste. Im Shan-Staat konnte ich oft sichelförmige Holzbüffelhörner an den Dachfirsten der Akhapersönlichkeiten sehen.

Der einzige Grund, warum ein Akha Haus keine ausragenden Dachgiebel trägt, ist, dass in dieser Familie Zwillinge geboren wurden. Akhazang betrachtet so ein Ereignis als Störung der bestehenden Ordnung. Unter allen Umständen muss die Welt der Menschen und des Dorfes von der Welt der Geisterwesen und des Dschungels getrennt bleiben. Eine Einzelgeburt ist typisch für die Welt der Menschen, Vielfachgeburten stehen für die Welt der Tiere. Zwillinge einer Akhamutter, genauso wie das einzelne Junge einer Hündin oder einer Sau, gefährden diese Ordnung. Eine solche Tiermutter sowie ihr Junges werden geschlachtet und außerhalb des Hauses gegessen; sollte es innerhalb eines Jahres in einem Dorf zu mehr als drei solcher Vorfälle kommen, werden solche Tiere außerhalb des Dorfes verzehrt. Zwillinge oder missgebildete Babies der Akha wurden in der Vergangenheit mit Herdasche erstickt (die Hani pflegten sie im Herdfeuer zu verbrennen, wobei das Feuer als reinigendes Element eingesetzt wurde), und die Eltern wurden für die Dauer eines Jahres zur Purifikation aus dem Dorf verbannt. Die Giebelhörner ihres Hauses schlug man ab, sie wurden ein Jahr später bei der Rückkehr des Paares durch Neue ersetzt.

Um bestimmte Ämter, z.B. das des rezitierenden Schamanen (Pima) , des Heilschamanen (Nipa), des Schmieds (Nipa), des Silberschmieds  und des Dorfführers (Dzoema), zu übernehmen, war es notwendig, dass der Amtsinhaber "rein" war, worunter verstanden wurde, dass seine Frau weder während der Hochzeit schwanger gewesen war, noch dass er Vater von Zwillingen oder eines behinderten Babys war. Ansonsten musste er das Amt aufgeben. Diese Tradition, als auch die Tatsache, dass Reisscheunen mit ausragenden Giebeln versehen werden, bestärken die Vermutung, dass es eine Verbindung zwischen den Giebelhörnern und "ordentlicher" Fruchtbarkeit bzw. "Reinheit" gibt.

Im ersten Dorf Ho Kyin 4 leben Buddhisten und Christen nebeneinander. Auf der höchsten Stelle steht eine Pagode mit zwei Mönchshäusern, etwas tiefer ist das Versammlungshaus der Christen nach beiden Seiten mit je einem großen Kreuz  und einer eisernen Radfelge als Glocke gekennzeichnet. Im Dorf treffen wir nur Frauen an, die Stoffe besticken und Reiskuchenfladen und braune Tofufladen zum Trocknen auslegen, Kinder und alte Männer, die die Schweine und Hühner von dem Reis, der zum Trocknen auf Matten liegt, zu verscheuchen. Uralte Gewehre vor den Häusern deuten darauf hin, dass die Männer auf Jagd gehen.

Das zweite Dorf Ho Kyin 1  ist reicher. Wir essen in einem Haus mit Bretterböden unser Lunchpaket. Dort liegt auch eine Motorbaumsäge. Auf einer Holzbank steht USA 2001 und 2002. Unsere buddhistische Führerin meint, hier wohnen Katholiken. Die solide Kirche und ein großes Kreuz, an dem eine elektrische Lampe hängt, passen zu dem Bild eines „reichen“ Dorfes.

Als wir das Dorf verlassen beobachten wir, wie die Jungen ein ungewöhnliches Kreiselspiel spielen. In der Literatur trifft man auf widersprüchliche Angaben, ob es sich bei den konisch-zylindrischen Holzobjekten um Kreisel oder Bomben handelt.

Akhazang legt fest, daß das Wurfkreiselspiel nur zu Neujahr stattfinden soll. Hölzerne, runde, etwa 10cm hohe Kreisel werden mit einer Schnur umwickelt. Dann hält der Junge ein Schnurende fest und schleudert den Kreisel so nah wie möglich zu dem festgelegten Ziel, einem anderen Kreisel, den er wegschleudert.

Eine Zeremonie zeugt davon, dass der Wurfkreisel mit Fruchtbarkeit in Zusammenhang steht: Eine Frau, die sich Kinder wünscht aber noch keine bekommen konnte, kann den Pima/Schamanen ersuchen, eine Zeremonie abzuhalten, die ihre Fruchtbarkeit steigert. Der Pima würde dann einen Miniaturkreisel schnitzen, den die Frau an ihren Kopfschmuck heftet und trägt.

Um das Dorf der Ahnen zu erreichen, gibt es drei Wege;
Um die alte Frau zu erreichen, hat der Weg drei Biegungen;
Nimm nicht den Weg hangabwärts!
Hangabwärts ist der Weg der schrecklichen Tode.
Nimm nicht den Weg hangaufwärts!
Hangaufwärts ist der Weg der schrecklichen Tode!
Der Mittelweg ist der Weg zu den Ahnen.
Das gleiche gilt für die drei Dörfer:
Das Dorf unten am Hang ist das Dorf der schrecklichen Tode.
Das Dorf oben am Hang ist das Dorf der schrecklichen Tode.
Das Dorf in der Mitte vom Hang ist das Dorf der Ahnen.

Die Völker flußabwärts besitzen Silber,
laß deine Seele nicht zu ihrem Silber wandern;
Die Völker flußaufwärts besitzen Gold,
denke nicht an ihr Gold.
Das Silber flußabwärts ist flüchtig wie der Hahnenschrei,
Es verschwindet wie ein Vögelchen,
das keck mit den Schwanzfedern wackelt und dann über neun Länder fliegt.
Das Gold flußaufwärts ist flüchtig wie der Schrei einer Taube;
es ist unvorhersehbar wie das Abfallen von Vogeldung auf die Shanfelder;
In meinem eigenen Haus, wo es nichts gibt, lebe ich, als gäbe es viel;
In meinem eigenen Haus, wo es nichts gibt,
laß ich die Dinge sein, als gäbe es viel;
Sich um den Boden kümmern,
sich um das Gepflanzte kümmern,
um des alten und des neuen Reis willen.

Begräbnistexte (übersetzt von Inga-Lill Hanson, 1983)


Der Weg aus dem Dorf abwärts führt durch eine wunderbare Frühlingslandschaft. Die Pfirsiche oder Kirschen blühen. Mango- und Orangenplantagen und schließlich Nassreisfelder, die zwei Ernten im Jahr ermöglichen, zeigen durchaus die Intelligenz der Eigentümer.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                

28. Dezember

Auf dem Akha-Festival

Frauen als wandelnde Christbäume

Heute feiern die Akha ihr Neujahrsfest. Ein Festplatz, eine Bühne, ein Festsaal, eine Schaukel, Verkaufsstände, Glücksspiele und handbetriebene Karusselle. Neben den Vertretern der Akha treffen viele Militärs mit ihren schwer bewaffneten Bodyguards ein, die von aufgestellten Kindern und Frauen mit ernsten Gesichtern singend und klatschend begrüßt werden. Die Militärs zeigen sich volksnah und die Minderheiten machen mit. Wir wundern uns: kein Boykott.

Auf dem Festplatz in Kyaingtong haben die Akha ihr kultisches Schaukelgerüst wie alljährlich errichtet, mit dem sie ihren Weltkosmos symbolisch zwischen Oben und Unten, zwischen  Himmel und Erde, zwischen Götterbereich und Ahnenschrein und irdischem Bereich durchmessen.

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Die Jungen zeigen auf dem Schaukelgerüst ihren Mut, aber die verheirateten Frauen in ihren Trachten warten auch schon darauf, in die Schaukelschlinge aus Bast zu steigen.