Homepage,

Philosophie - ÜbersichtI

Poetische Spiegelungen philosophischer Gedanken

Poetische Nachklänge des morgendlichen Philosophierens über Texte von Platon, Descartes, Wittgenstein u.a., ein wenig erhellt von den Worten der Teilnehmer im Schein des flackernden Feuers in der platonischen Höhle. Erinnert im März und November 2009 von Günter Neuenhofer u.a.

Philosophie am Morgen
(G.Neuenhofer)

gefangen
befangen

I.

ein weites feld
wer ich bin
was ich denke
wer wo wie ich
sei

im dämmerlicht
unter wolken
wartend
auf den sturz
in andere himmel

im dunkel
hinter mauern
wissend
die bange frage
nach dem anfang
dem ende

woher ich denn komme
wohin ich denn gehe
ich

II.

ein jeder jemand
in ich und ein du
ein alltagswesen
im schatten der mauern
ein anderer jemand

weit ist der blick
hinaus
ganz nah und ganz fern
nicht hier und nicht dort
in die freiheit
hinaus
ich

in augen und lungen
den sand
wort wüsten und
das schweigen

ein weites feld

III.

die welt
das ist alles was
der mensch
das ist jeder wer

wer fragt
was da alles ist

z.B. die welt
darüber
z.B. gott
muss man
z.B. das wissen
schweigen

die gedanken sätze
pictures of facts
insgesamt
unsinnig

davon aber
kann man
nicht sprechen

IV.

schattenhöhlen
märchenwälder

V.

von Platon
bis Wittgenstein
weise worte

VI.

Klick!
cogitans sum
am Morgen

Mit philosophischen Augen
(G.Neuenhofer)

Staunend
seh` ich mich
als Fremden.

Frage,
wer das ist,
das Ich.

Staunend
frage ich mich:

Wer ich bin?
Woher komm` ich?
Wohin geh` ich?
Weshalb?

Weiß
von meinem Staunen,
weiß
von meinen Fragen.

Sollen die Winterrosen,
mir zeigen,
so ist es,
das Leben,

die schwarzen Vögel
mir krächzen,
so kann es sein,
das Leben,

die Herbststürme
mir künden,
du darfst noch hoffen
im Leben.

Da schließ` ich staunend die Augen
und frage nicht mehr,
für kurze Zeit.

So ist es,
mein Leben.

Suche in der Ferne,
schau hinaus
in andre Leben.

„ Die Geisterwelt ist nicht verschlossen.“
(G.Neuenhofer)

Auf der Suche nach dem Menschen und dem Geist der Philosophie

Auf dem Meer des Geistes treibt unser Boot
den Untiefen zu, wo Skylla und Charybdis drohen.
Skylla zeigt 12 Füße, sechs Köpfe mit dreifachen Zähnen,
Charybdis stößt brüllend das eingesaugte Wasser heraus.

Die Fragen nach Geist und Materie,
der Sog des Wortes Geist, reißen uns in die Tiefe.

„Und nun soll dieser Geist
nach unsrem Willen leben.“

Beschwören wir den Geist der Musik,
rufen wir den obersten Geist, den absoluten.

Das Wasser steigt, die Planken sind locker,
wir stopfen die Löcher.
Was tun?

Die Mannschaft rät:
Kehren wir um!
Ignorieren die Gefahr!
Lösen die Synapsen.

Warnende Stimmen.
Nein, wir müssen klarer sehen!

Der Geist der Philosophie, er lässt uns nicht.

„Ihr schwebt, ihr Geister, neben uns;
antwortet, wenn ihr uns hört!“

Der Sturm wirft unsre Begriffe zuhauf.
Die rote Rettungsleine soll her.
Schwarze Worte auf Papier, werft sie hinaus in die Wogen,
sie werden die Monster ersticken.

„Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
zu tauchen in diese Tiefe nieder?“

Da legt sich der Sturm, wir sind hindurch,
die Zeit hat allmächtig die Fahrt beendet.
Das Boot liegt im Hafen.
Da denkt so mancher:

„Da stehe ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Und sehe, dass wir nichts wissen können!“

Das denk ich auch und schreib dann nieder
„Der Alltag hat uns wieder“.

Ästhetische Zeiten
(G.Neuenhofer)

Wie jetzt noch Kunst ?
Künstlich zeugen,
im Strom der Arts – bodenlos .
Schönheiten finden im Wahren,
nach Wahrheit suchen im schönen Schein.

Welt,
televisionär verfügbar,
animatorisch:

ich zappe und switche,
sie bleibt ein verpixeltes Bild,
die Hardware ist Software,
Verpackung statt Ware.
Schicke Erlebniswelten.

Vollendet sollen Körper und Seele scheinen.
Die Nasen anders, die Haare modern.
Facelifting, Ersatz

Es stimmt alles und nichts.
Die Welt ein Videospiel.

Um des Schönen willen ist kein Schönes mehr
Wirklichkeit denken und dichten,
das ist Kunst.

Platon oder warum
(
Wislawa Szymborska)

Aus unklaren Gründen,
unter unbekannten Umständen
hörte das Ideale Sein auf, sich zu genügen.

Es hätte ja dauern endlos dauern können,
aus dem Dunkel geschält, aus Helligkeit gehämmert,
in seinen, schläfrigen über der Welt, Gärten.

Wozu, zum Kuckuck, musste es Eindrücke suchen
in der schlechten Gesellschaft der Materie?

Was nutzen ihm die Nachahmer,
die missratenen, vom Pech verfolgten,
ohne Aussicht auf Ewigkeit?

Die hinkende Weisheit
mit dem Dorn in der Ferse?
Die Harmonie, von stürmischen Wassern
zerfetzt?
Die Schönheit
mit den reizlosen Eingeweiden in der Mitte
und die Güte
- wozu mit einem Schatten,
den sie früher nicht hatte?

Es musste einen Grund geben,
und sei`s ein scheinbar kleiner,
aber das verrät nicht einmal die Nackte Wahrheit (Prawa Naga),
beschäftigt,
die irdische Garderobe zu durchstöbern.

Dazu diese schrecklichen Poeten, Platon,
die vom Windhauch davongetragenen Späne unter den Statuen,
die Abfälle der großen, auf den Gipfeln, Stille…

Wislawa Szymborska, geb. 1923 in Polen, 1996 Nobelpreis für Literatur „für ihr Werk, das ironisch-präzise den historischen und biologischen Zusammenhang in Fragmenten menschlicher Wirklichkeit hervortreten lässt,“


ROBERTO JUARROZ:

Wo ist der Schatten
eines Gegenstandes, der an die Wand gelehnt ist?
Wo ist das Bild
in einem Spiegel, der an die Nacht gelehnt ist?
Wo ist das Leben
eines Geschöpfes, das an sich selbst gelehnt ist?
Wo ist das Reich
eines Menschen, der an den Tod gelehnt ist?
Wo ist das Licht
eines Gottes, der an das Nichts gelehnt ist?
Vielleicht befindet sich in diesen Räumen ohne Raum,
was wir suchen.