Günter Neuenhofer, VHS 2010-II

Philosophie am Morgen

Philosophie - Übersicht

Ästhetik I-V

I


Sandro Botticelli (~1485) Die Geburt der Venus



Ein Bild des Schimpansen Congo

Wir diskutieren die Frage „Was heißt schön?“

Themen und Texte:

Schönheit ist weder etwas Außergewöhnliches noch etwas, was einer Erklärung zugänglich ist, sie ist weder Gegenstand des Bewunderns noch des Sich-Wunderns, sondern des Staunens. Mit ihm ist die Möglichkeit einer ursprünglichen Erfahrung mit Schönem eröffnet. (Phil. Ästhetik, Günther Pöltner, 2008)

Was wird mit dem Wort „schön“ bezeichnet?

Schön, dass wir uns treffen, Wendriner. Wirklich schön praktisch hier. Und das schöne Wetter, und die schöne Aussicht, und dieser schöne Landwein“.
„Alles schön und gut, mein Lieber. Aber was sagen sie zur letzten Neuigkeit aus dem Ministerium? Eine schöne Bescherung, um nicht zu sagen, eine schöne…“
„Aber, aber, Wendriner! – Apropos schön. Haben sie noch den alten Grock erlebt? Immer wenn der „schööön“ sagte (mit drei Ö versteht sich), dann tobte der ganze Zirkus, und keiner wußte warum. Nie gesehen? Schade. Na schön, denn wolln wir mal.“
(Tucholsky)

"schön" im Deutschen: entzückend, reizend, klassisch, formvollendet, ebenmäßig, harmonisch, wunderschön, stilvoll, geschmackvoll, bildschön, herrlich, vollendet, makellos, unvergleichlich, strahlend, blendend, traumhaft, wunderbar, zauberhaft, wundervoll, märchenhaft, göttlich, reizvoll, wohlgestaltet, stattlich, angenehm, erfreulich, hocherfreulich, beglückend, beseligend, befriedigend, ausfüllend, erfüllend, paradiesisch, himmlisch, herzerfreuend, wonnevoll, wonnig … (abwertend, Reinmachen, Qualität, Wetter, Ereignis, Person, prächtig, Äußere)

Herkunft des Wortes: < ahd. sconi < germ. *skauni- < idg. *(s)qeu-; urspr. Bedeutung nicht sicher, alte Teilbedeutungen sind "hell, durchsichtig" u. "tauglich, nutzbar", im MA identisch mit klar "von schöner Farbe", erst später "von schöner Gestalt" (nach Wahrig)

Schönheit: Liebreiz, Wohlgestalt, Harmonie, Vollendung, Anmut, Formvollendung, Ebenmaß, Köstlichkeit, Erlesenheit, Pracht, Herrlichkeit, Prachtentfaltung, Pracht, Glanz, Schmuck, Reichtum, Fülle, Blüte …

"schön" im Englischen: attractive (Person) beautiful (Wetter, prächtig) clean (Reinmachen) delightful (Ereignis) enjoyable (Ereignis) fair (Wetter) fine (Qualität, Wetter) handsome (Person) lovely (Ereignis, prächtig) neat (Reinmachen) neatly (Äußere) nice (Ereignis, Wetter, abwertend) nicely (Äußere) pleasant (Ereignis) pleasurable (Ereignis) prettily (Äußere)
"Schönheit": attractiveness (Person) beauty (Frau, Lieblichkeit) belle (Frau) handsomeness (Person) loveliness (Lieblichkeit) prettiness (Lieblichkeit)

"schön" im Niederländischen: aangenaam (Ereignis) aantrekkelijk (Person) edel (Qualität) fijn (Ereignis, Qualität) fraai (prächtig, Äußere) fris (Reinmachen) goed (Wetter) knap (Person) leuk (Ereignis) mooi (Person, Wetter, abwertend, prächtig, Äußere) netjes (Reinmachen) plezierig (Ereignis) prachtig (Qualität, prächtig) prettig (Ereignis) schoon (Reinmachen)
"Schönheit": aantrekkelijkheid (Lieblichkeit) beauté (Frau) bekoorlijkheid (Lieblichkeit) belle (Frau) bevalligheid (Lieblichkeit) knapheid (Person) schoonheid (Frau, Lieblichkeit)

Das Schönste am Schönen ist das Wort schön…Im leeren Kofferraum des Wortes schön lässt sich jede nur mögliche Musik ebenso anstands- wie begriffslos verstauen. (LEO DORNER, DAS SCHÖNE WORT SCHÖN, S.206)

- Was ist musikalisch schön? nach LEO DORNER

Das Schöne in der Musik ist die Melodie, die am besten gefällt.
Schön ist, was mir gefällt.
Schön ist, was uns verbindet.
Schön ist, was erfolgreich ist, weil es sich verkaufen lässt.
Schön ist, was noch nicht gewesen ist.
Das Schöne in der Musik ist die Melodie, die den meisten am besten gefällt.
(Moik und Prawy)

Fragestellungen, Themen und Texte im Philosophie-Kurs:

- Platonische Fragestellungen im Dialog „Hippias“: Bewirkt das Schöne etwas Gutes und Nützliches? Bewirkt das Schöne lustvolle Empfindungen?

- Stellenwert von „Schönheit“ im Leben der Menschen.

- Die Ideale von Schönheit und der schöne Schein. Der Wandel des Begriffs Schönheit in der philosophischen Ästhetik.

- „Schönheit“ in der Natur und in künstlerischen Werken.

- Ist das „Schöne“ eine vom Wollen, Schaffen und Betrachten der Menschen unabhängige absolute Idee, die mit dem Guten und Wahren identisch ist? Oder offenbart sich das Schöne in seiner Glück bringenden Form in einem ästhetisierten Menschen und einer ästhetisierten Welt? Bringt der Ästhetisierungsboom – die Welt wird zu Erlebnisräumen umgestaltet - eine Verbesserung unseres Lebens? Oder bringen die „Verschönerungsprozesse“ nur eine Verkitschung, dienen sie einer oberflächlichen Fun-Kultur und verführen zu einer Flucht aus unangenehmen Wirklichkeiten? (s. Wolfgang Welsch, Ästhetisches Denken, 1990)

- Wird der Mensch im Prozess der ästhetischen Erziehung durch Verbindung von Empfinden und Denken zum „ganzen“ Menschen im Sinne eines Humanitätsideals? Dient die „Kunst“ sittlichen Zwecken? (Schiller, „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ und „Kallias oder über die Schönheit“)

Ästhetik II

Textauszüge aus dem Dialog „Hippias“ von Platon

Sokrates überprüft folgende Definitionen des Schönen: Ein schönes Mädchen ist schön, Gold macht schon, ein glückliches Leben in Reichtum, Gesundheit und Ehre sind schön, das Angemessene macht schön, das Brauchbare und Nützliche sind schön, wenn es guten Zwecken dient, - ist das Gute das Schöne und umgekehrt? -, das optisch und akustisch Angenehme ist schön, Handlungsweisen und Gesetze sind schön.

Ergebnis: das Schöne ist relativ. Es muss dem Gegenstand angemessen sein und in Beziehung zum Guten stehen. Das Schöne als das durch die Sinne vermittelte Absolute.

Ideenlehre Platons (Höhlengleichnis, Symposion)

Bewirkt das Schöne etwas Gutes und Nützliches? Platon ist der Begründer der (metaphysischen) Gehaltsästhetik, indem er als eine der höchsten Ideen die Idee des Schönen (das Schöne an sich) bestimmt, welche durch das Sinnliche am klarsten hindurch scheint und die Seele zum Aufschwung, zur Entfaltung ihrer Fittiche gleichsam, begeistert. Das Schöne an sich ist es, an dem die Dinge teilnehmend schön sind (Symposion 211).

Das Schöne ist in allem enthalten, eben durch die Präsenz der Idee des Schönen in jedem Ding. Dieses macht die Schönheit relativ, da man nun nicht von der Schönheit einer Sache auf die Schönheit einer anderen Sache schließen kann. Die Schlussfolgerung die Platon daraus zieht, ist, „ dass das, was für jeden Gegenstand passt, ihn schön macht…. Man muss es prüfen.“ (Hippias) in einem unendlichen Prozess.

Platon, Timaios. „Nun ist alles Gute schön, das Schöne aber darf des Ebenmaßes nicht entbehren.
Daher ist auch ein Lebewesen, welches derart sein soll, als ebenmäßig zu setzen.“

Platon in seiner Kunstkritik schenkt der Kreativität keinerlei Bedeutung. Er kennt nur die Mimesis, die Nachahmung der Natur). Er streitet dem Maler ab, die Idee selbst darstellen zu wollen. „Nur die Werke dieser Verfertiger“ (Politeia) versucht der Maler in Platons Vorstellung nachzuahmen. In seinen Gedanken über die Schönheit findet die Ästhetik des Hässlichen keinen Platz (Hippias), auch nicht das von seiner Natur Abweichende (Hippias). Dem freien Denken, der Kunst um ihrer selbst Willen gewährt Platon keinen Platz.

Dürer (Text aus dem Nachlass II)

Schönheit als Ideal der Künstler, aber relativ in Bezug auf den Gegenstand und vom Geschmacksurteil des Künstlers und vom Können des Künstlers und dem Geschmack der Zeit abhängig.

Stellenwert der Schönheit im Leben der Menschen: und in der Gesellschaft

1. positiv: Das Streben nach Schönheit als ein Verbesserungsprozess zur Vervollkommnung
2. negativ: Schönheit als oberflächliche Verhübschungsprozedur, um einen äußeren Zweck wie Konsumanreiz und Umgestaltung von Körper und Dingen zur Anerkennung in der Gesellschaft zu erreichen.

Darstellungen der Ideenlehre und des Höhlengleichnisses


Ästhetik III

Bilder: Frauenbild von Picasso, die Willendorfer Venus ( 25000 v.Chr.) und Barbie

Schönheit

Schönheit ist ein abstrakter Begriff, der stark mit allen Aspekten menschlichen Daseins verbunden ist. Mit der Bedeutung dieses Worts beschäftigt sich hauptsächlich die philosophische Disziplin der Ästhetik. Wie jede Wertung, ist dieser positiv besetzte Begriff von Bewertungsmaßstäben und Bewertungszielen abhängig, die auch durch gesellschaftliche Konventionen geprägt werden. Welche Wertmaßstäbe dem Ausdruck „Schönheit“ zu Grunde liegen, und wie diese zustande kommen, ist auch Untersuchungs-gegenstand von Natur- und Geisteswissenschaften.

Ästhetik

Ästhetik (griech. aisthesis „sinnliche Wahrnehmung“), phil. Disziplin seit dem 16.Jh. neben Erkenntnistheorie, Logik, Ethik, Metaphysik. Theorie des Schönen (Naturschönes und Kunstschönes), Theorie der Kunst eine philosophische Disziplin, eine Theorie der sinnlichen Wahrnehmung des Schönen in Kunst, Design und Philosophie.

Philosophische Ästhetik beschränkt sich aber nicht auf das Schöne, Neben dem Schönen gehören zur Aesthetik auch das Erhabene, Anmutige, Tragische, Hässliche, Dramatische, Humorvolle, Komische, Charakteristische, Idyllische etc.

Kunst

Kunst ist ein deutsches Wort. Bereits im Althochdeutschen lautete es "kunst" (Plural kunsti). Ursprünglich ist kunst ein Substantivabstraktum zum Verbum können mit der Bedeutung "das, was man beherrscht; Kenntnis, Wissen, Meisterschaft". Die Redewendung „Kunst kommt von Können“ ist also etymologisch, dem Wortursprung nach, richtig.

Die heutige Bedeutung des Wortes hat sich dadurch entwickelt, dass zusätzlich der lateinische Begriff ars mit "Kunst" ins Deutsche übersetzt wurde (Lehnbedeutung). Besonders seit der Neuzeit wird der Begriff zunehmend mehrdeutig, weil neben alte Verwendungen des Wortes (im Sinne von „Lehre, Wissen, Erkennen, Erkenntnis, Einsicht“) neue treten (im Sinne des Plurals Künste als „Kunstgattung“, etwa „autonome Künste“, „schöne Künste“).

Seit dem 16. Jahrhundert wird Kunst nicht nur zur Beschreibung eines Wissens gebraucht, der Begriff wird ebenso synonym für Philosophie, aber auch die Naturwissenschaften gebraucht, aber auch für deren zunehmend abgelehntes Gegenteil, die „schwarze Kunst“.

Im Zeitalter von Maschinen, Arbeitsteilung und Automatisierung veränderte sich der Status von handwerklicher Tätigkeit in der Kunst. Kunst existiert nun nicht mehr in Funktionszusammenhängen, sondern allein aus sich heraus, wird zu L’art pour l’art. Die in Funktionszusammenhängen verbleibenden Kunstformen konstituieren sich unter dem neuen Oberbegriff Angewandte Kunst für das Kunstgewerbe.

Die postmoderne Anschauung von Kunst stellt zum Teil die Ideen von Freiheit, Originalität und Authentizität wieder in Frage, setzt bewusst Zitate anderer Künstler ein und verbindet historische und zeitgenössische Stile, Materialien und Methoden und unterschiedliche Kunstgattungen miteinander. Kunstbetrieb und Ausstellungsorte werden von einer Metaebene aus hinterfragt (White Cube). Die Grenzen zwischen Design, Popkultur und Subkultur einerseits und Hochkultur andererseits verschwimmen.

Im Zuge der Globalisierung findet einerseits ein vermehrter Dialog verschiedener Kunstrichtungen in aller Welt als Weltkunst statt, andererseits wurden regionale Unterschiede tendenziell nivelliert, und als Gegenreaktion entsteht der Begriff ethnische Kunst.

Frauenbilder von Botticelli (Geburt der Venus), Andy Warhol und ein Schnitt-Ankleidebogen zu Botticellis Venus

Design

Lateinisch: "designare" = (be)zeichnen,
Englisch: to design → en = entwerfen, konzipieren, planen.

"Wenn der Designer nichts weiß, nimm er 'n Quadrat und 'nen Kreis. Design ist keine Kunst!"


Kleid im Mondrian-Stil

Im Gegensatz zum deutschen Sprachgebrauch, der eher auf formal/künstlerische Aspekte abzielt und den Designbegriff weitgehend verdinglicht, umfasst der angelsächsische Begriff design auch technisch-konstruktive Anteile der „Gestaltun“.

Styling gilt umgangssprachlich als Synonym für Design, wird aber von Designern generell als abwertend für den Designbegriff verstanden. Der Begriff hat sich durch die amerikanische Sichtweise von „Design als Styling“ aus den 50er Jahren eingebürgert und bezieht sich meist auf oberflächliche, wenig prozesshafte „Verschönerung“ von Artefakten.

Kitsch steht meist abwertend für einen aus Sicht des Betrachters emotional minderwertigen, sehnsuchtartigen Gefühlsausdruck. In Gegensatz zu einer künstlerischen Bemühung um das Wahre oder das Schöne, wird ein zu einfacher Weg, Gefühle auszudrücken, als sentimental oder kitschig bezeichnet.

De Stijl
„Manifest I“ von 1918

Doesburg und Mondrian verwendeten in ihren Theorien zur Kunst Elemente verschiedener Philosophen, insbesondere Platon und Hegel, die sie in ihren grundlegenden Prinzipien des Dualismus – zwischen Objektivem und Subjektivem, Abstraktion und Natur, Asymmetrie und Symmetrie, Vierdimensionalität und Dreidimensionalität, Farbe und Nicht-Farbe, festlegten.

1. Es gibt ein altes und ein neues Zeitbewusstsein. Das alte richtet sich auf das Individuelle. Das neue richtet sich auf das Universelle. Der Streit des Individuellen gegen das Universelle zeigt sich so wohl in dem Weltkriege wie in der heutigen Kunst.

2. Der Krieg destruktiviert die alte Welt mit ihrem Inhalt: die individuelle Vorherrschaft auf jedem Gebiet.

3. Die neue Kunst hat das, was das neue Zeitbewusstsein enthält ans Licht gebracht: gleichmäßiges Verhältnis des Universellen und des Individuellen.

4. Das neue Zeitbewusstsein ist bereit, sich in allem, auch im äußerlichen Leben, zu realisieren.

5. Tradition, Dogmen und die Vorherrschaft des Individuellen (des Natürlichen) stehen dieser Realisierung im Wege.

6. Deshalb rufen die Begründer der neuen Bildung alle, die an die Reform der Kunst und der Kultur glauben, auf, diese Hindernisse der Entwicklung zu vernichten, so wie sie in der neuen bildenden Kunst – indem sie die natürliche Form aufhoben – dasjenige ausgeschaltet haben, das dem reinen Kunstausdruck, der äußersten Konsequenz jeden Kunstbegriffs, im Wege steht.

7. Die Künstler der Gegenwart haben, getrieben durch ein und dasselbe Bewusstsein in der ganzen Welt, auf geistlichem [geistigem] Gebiet teilgenommen an dem Weltkrieg gegen die Vorherrschaft des Individualismus, der Willkür. Sie sympathisieren deshalb mit allen, die geistig oder materiell, streiten für die Bildung einer internationalen Einheit in Leben, Kunst, Kultur.

Mondrian strebt, so sein Credo, "nach der Harmonie durch die Gleichwertigkeit von Linien, Farben und Flächen. Zunächst noch angelehnt an Motive wie etwa Stillleben, löst er sich zunehmend vom Gegenständlichen und erreicht dieses Ziel mit der Serie seiner "Compositions". Der Künstler wird später dafür seinen eigenen Begriff bilden: "Neoplastizismus".

Befeuert wird diese Wandlung durch Mondrians Auseinandersetzung mit den Thesen der Theosophie. "Die kosmologische Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts geht davon aus, dass sich hinter der äußeren Aufsicht der Welt eine 'höhere Realität' verbirgt"

Ästhetik IV

William Shakespeare (1564-1616)

Sonett 54

O wieviel mehr die Schönheit uns erfreut,
Wenn sie der Wahrheit reine Glorie schmückt!

Sonett 18

Und alles Schöne gibt die Schönheit preis,
Sei’s Zufall, sei’s des Wandels kruder Gang.

Kant und Schiller


Immanuel Kant, Radierung von Johann Leonhard Raab. Friedrich Schiller (1759-1805), Porträt von Kügelgen

Schiller, „Kallias oder über die Schönheit“

Wird der Mensch im Prozess der ästhetischen Erziehung durch Verbindung von Empfinden und Denken zum „ganzen“ Menschen im Sinne eines Humanitätsideals? Dient die „Kunst“ sittlichen Zwecken?

Im ersten Teil der Kritik der Urteilskraft hatte Kant dargelegt, dass ästhetische Geschmacks-urteile sich auf das Gefühl des Rezipienten beziehen und keine objektiven Erkenntnisurteile über bestimmte Gegenstände sind. In einem Geschmacksurteil harmonierten Einbildungskraft und Verstand; wer zu einem solchen Urteil fähig sei, beweise Geschmack. Diese Urteile besitzen keine objektive, sondern subjektive Allgemeinheit. Kant formulierte: „Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.“

Mit den sechs Kallias-Briefen versuchte Schiller diesen Anspruch einzulösen und eine Theorie der Schönheit zu entwickeln. Im ersten Brief vom 25. Januar 1793 beschrieb er das Problem, einen objektiven Begriff der Schönheit aufzustellen „und ihn aus der Natur der Vernunft völlig a priori zu legitimieren.“ Schönheit sei „im Feld der Erscheinungen“, zu Hause, wo kein Raum sei für platonische Ideen. Schönheit sei eine Eigenschaft der Dinge, ein „Ding ohne Eigenschaften“ aber sei unmöglich. In den Briefen formulierte Schiller auch die bekannten Worte, Schönheit sei „Freiheit in der Erscheinung.“ Mit der Abhandlung fasste Schiller seine bisherige Auseinandersetzung mit Immanuel Kant zusammen.

Hatte Schiller den Begriff der Schönheit zunächst auf den selbstbestimmten Menschen bezogen, erweiterte er ihn schon zwei Jahre später zur Vision einer allumfassenden ästhetischen Kultur. Er war enttäuscht von den Entwicklungen im nachrevolutionären Frankreich und wollte nun an einer wahren politischen Freiheit arbeiten.

War Kants ›Kritik der Urteilskraft‹ noch auf die ästhetische Wahrnehmung der Natur kraft der Schönheit und des Erhabenen bestimmt, ohne sich auf die Kunst zu konzentrieren, so verschiebt sich bei Schiller das Augenmerk sowohl auf die Kunst als auch auf den Künstler, formuliert also erstmals gleichermaßen eine Rezeptionsästhetik und eine Produktionsästhetik.

Schiller, „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“

16. Brief:

Schiller differenziert hier den Schönheitsbegriff und stellt der Schönheit der „Erfahrung“ aus dem 10. Brief das „Idealschöne“ gegenüber. Das „Idealschöne“ kann auf zwei verschiedene Weisen wirken. Es kann zum einen die Spannung zwischen dem „Formtrieb“ und dem „sinnlichen Trieb“ auflösen und zum anderen „anspannen“, um sie in ihrer jeweiligen Kraft zu erhalten. Die Schönheit der „Erfahrung“ dagegen teilt sich in die „schmelzende Schönheit“, die Schönheit im engeren Sinne, die die Grundtriebe vereint, und die „energische Schönheit“, die die Kraft der beiden Grundtriebe stabilisiert. Die energische Schönheit ist es, die die „civilisierten Klassen“ vor ihrem Sittenverfall, der sinkenden Kraft des „Formtriebs“, bewahren kann. Doch beide müssen gleichermaßen wechselseitig wirken, denn wenn die „schmelzende Schönheit“ überwiegt, drohen „Weichlichkeit und Entnervung“, überwiegt die „energische Schönheit“, drohen „Wildheit und Härte“.

Schiller entfaltet hier seine Theorie des ästhetischen Zustands. Der reale Mensch seiner Zeit erreicht diesen aber nie vollständig, denn es mangelt ihm entweder an „Harmonie“ oder an „Energie“. Der ästhetische Zustand liegt genau dazwischen und verschmilzt „Leiden“ und „Tätigkeit“, „Empfinden“ und „Denken“. Erziehung des Menschen kann durch die „schmelzende Schönheit“ erreicht werden, bevor der Mensch die Vernunft seine Handlungen leiten lässt. Damit erlebt der heranwachsende Mensch den „Null“-Zustand, in dem sowohl Sinnlichkeit als auch Vernunft gleichermaßen wirken.

17. Brief:

Durch „Schönheit“ kann in dem „angespannten Menschen“ die „Harmonie“ wiederhergestellt werden und in dem „abgespannten“ die „Energie“. Der jeweils „eingeschränkte Zustand“ wird auf einen „absoluten“, ästhetischen Zustand zurückgeführt, in dem der Mensch in Einheit mit seiner Natur und so ein „vollendetes Ganzes“ ist. Freiheit kann nur auf diese Weise erfahren werden. Überwiegt einer der beiden Grundtriebe, befindet sich der Mensch in einem Zwangs-zustand, dem „Zwange der Empfindungen“ oder „dem Zwange von Begriffen“.

»Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit der Schönheit spielen. Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«


NÄNIE
(Schiller)

Auch das Schöne muß sterben!……
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.

Symbole der Vollkommenheit


Der griechische Gott Apollon. Die drei Grazien von Raffael (1504-1505)

"Entartete Kunst"

Veröffentlichung des Erzbistums Köln: Kardinal Meisner hat in seiner Ansprache zunächst dargelegt, dass „durch die Menschwerdung Gottes jeder Mensch vom Glanz Gottes berührt und geprägt ist“. Danach bezeichnet er es als große „Pervertierung“ des Menschen, „wenn er diese Identifikation auf Gott hin vergisst und dadurch zum Ohne-Gott oder gar zum Antigott wird, wie wir es in der Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa in grausamster Weise erleben mussten.“ „Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet.“ Mit „Kultur“ bezeichnet er dabei die gesamten Lebensäußerungen einer Gesellschaft, nicht nur den „Kulturbetrieb“. Er wiederholt damit, was er bei vielen Gelegenheiten nicht müde wird zu betonen: Ein entgöttlichtes Zusammenleben der Menschen degeneriert zur totalitären Unkultur, weil ohne Gott die Maßstäbe des Menschlichen fehlen. Die Äußerung des Kardinals wendet sich also weder gegen bestimmte Kunstformen, Kunstwerke oder Künstler, noch will sie irgendjemanden diskreditieren oder gar diffamieren.

Aus der Rede Adolf Hitlers zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst in München"Kunstwerke", die an sich nicht verstanden werden können, sondern als Daseinsberechtigung erst eine schwulstige Gebrauchsanweisung benötigen, um endlich jenen Verschüchterten zu finden, der einen so dummen oder frechen Unsinn geduldig aufnimmt, werden von jetzt ab den Weg zum deutschen Volke nicht mehr finden!

Ästhetik V

Gibt es überkulturelle Einigungen auf das Schöne – als menschliche Universalien der Ästhetik?

Die Spannung zwischen Ordnung und Unordnung bestimmt unsere visuelle Umwelt, wie die Spannung zwischen Kultur und Natur unser ganzes Erleben beherrscht. Unser Wahrnehmungsapparat sucht nach Gesetzmäßigkeiten und Ordnungen. Ebenso wie er annähernd Regelmäßiges im Geist zu geometrisch Perfektem ergänzt, so idealisiert er annähernd Gleiches zu perfekter Gleichheit: eine Verrechnungsleistung des Gehirns, die Anwendung sucht (ähnlich wie die Fähigkeit zum Gestaltsehen, die dann auch auf Wolken und Berge angewendet wird). Bietet man perfekte Geometrie und Stereotypie im Übermaß, langweilt sich unser Wahrnehmungsapparat. Aug' und Hirn entbehren die reizvolle Herausforderung, die uns leichte Unregelmäßigkeit sonst bietet.

Die rhythmische Wiederholung gleicher (nicht identer) Teile ist ein wesentliches Konstruktionsprinzip und Erkennungsmerkmal des Lebens - man denke an Zellstrukturen, an Raupen oder Fiederblättchen; häufig wird rhythmische Wiederholung auch als visuelles Signal entwickelt, um aufzufallen (vgl. die Streifenmuster von Korallenfischen, Wespen, u.v.a.m.).

Bestimmte visuelle Eindrücke gelten in verschiedensten Kulturen übereinstimmend als "schön". Sie sind in Schmuckdesign, Bildender Kunst und Werbegraphik erfolgreich, z.B. Blüten und Schmetterlinge (Werbegraphik der Natur mit Radiär- und Bilateralsymmetrie und plakatfarbigem Kontrast), Spiegelsymmetrien, Kaleidoskope, Kristalle, rhythmische Wiederholung, spektrale Farbfolgen (von irisierenden Strukturfarben bis zum Regenbogen), Faszination des (scheinbar) Unnatürlichen (z.B. Geometrie, Metallglanz, Leuchtorganismen).

Doch erklären diese Elemente nicht die Schönheit von Flußmäandern, Bergen und anderen Erosionsformen, Faltenwürfen, Strömungsbildern und Stromlinienformen, Pflanzengestalten mit ihren Verjüngungen und Verästelungen, Farbschlieren in einer Küvette und Regenbogenspektren. (Der Streit um das Schöne – Ästhetik zwischen Natur und Architektur vn Prof. Dr. Bernd Lötsch, Biologe, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien )

Jüngere Forschungen deuten darauf hin, dass Schönheitsempfinden eine deutliche genetische Komponente besitzt. Die evolutionsbiologische Erklärung für Schönheitsideale ist, dass empfundene Schönheit mit evolutionär vorteilhaften Eigenschaften korreliert. So wurde in Experimenten gezeigt, dass in allen Kulturen Frauen mit einem bestimmten Taille-Hüft-Verhältnis von den Testsubjekten als schön angesehen werden, und gleichzeitig höhere kognitive Fähigkeiten aufweisen. Symmetrie wird als schön empfunden und ist gleichzeitig ein Indiz für Gesundheit. Auch gibt es Hinweise, dass hinsichtlich der Schönheit von Gesichtern ein goldener Schnitt existiert. So sei ein vertikaler Abstand zwischen Augen und Mund von 36% der Gesichtslänge und ein horizontaler Abstand zwischen den Augen von 46% der Gesichtsbreite ideal. Diese Proportionen entsprechen dem durchschnittlichen Gesicht, welches zudem, ähnlich wie Symmetrie, Gesundheit signalisiert. Manche Wissenschaftler halten deswegen die Auffassung von Schönheit als kulturellem Konstrukt für einen Mythos. (Wikipedia)

Fibonacci Zahlen

Wenn eine ästhetische, äusserst ausgewogene Form der Elemente eines Objekts oder einer Funktion erreicht wird, dann sehen wir höchstwahrscheinlich etwas, das auf der Goldenen Zahl basiert. Die Goldene Zahl ist kein Phantasieprodukt falsch angewandter Mathematik, sondern sie entspringt einem natürlichen Prinzip, das mit den Gesetzen des Gleichgewichts in Verbindung steht.

Was haben die ägyptischen Pyramiden, Leonardo Da Vinci’s Porträit der Mona Lisa, Sonnenblumen, die Schnecke, der Kiefernzapfen und Ihre Finger gemeinsam?

Die Antwort auf diese Frage liegt in einer Zahlenreihe verborgen, die von dem italienischen Mathematiker Fibonacci entdeckt worden ist. Die Eigenschaft der Fibonacci-Zahlen ist, das jede aus der Summe ihrer zwei vorhergehenden Zahlen besteht.
0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377, 610, 987, 1597, 258...

Ästhetik und Anästhetik

Ästhetisierungsprozesse, Oberflächen- und Tiefenästhetisierung, Auf dem Weg zu einer Kultur des Hörens

Ästhetisches Denken und Grenzgänge der Ästhetik (Wolfgang Welsch, S. 10-21, 231), Reclam-Verlag

Ästhetische Zeiten
(G.Neuenhofer)

Wie jetzt noch Kunst ?
Künstlich zeugen,
im Strom der Arts – bodenlos .
Schönheiten finden im Wahren,
nach Wahrheit suchen im schönen Schein.

Welt,
televisionär verfügbar,
animatorisch:

ich zappe und switche,
sie bleibt ein verpixeltes Bild,
die Hardware ist Software,
Verpackung statt Ware.
Schicke Erlebniswelten.

Vollendet sollen Körper und Seele scheinen.
Die Nasen anders, die Haare modern.
Facelifting, Ersatz

Es stimmt alles und nichts.
Die Welt ein Videospiel.

Um des Schönen willen ist kein Schönes mehr
Wirklichkeit denken und dichten,
das ist Kunst.

Philosophische Verse.html

Nachtrag:

Das „Ideal-Schöne“

Winckelmann entwickelte den für die Weimarer Klassik so bestimmenden Vorbildcharakter der Antike, die er mit ihrem Ideal „von der edlen Einfalt und stillen Größe“ als vorbildhaft für die Gegenwart darstellte. Die Grundthese des Buches "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke", die zeitgenössische Kunst könne nur durch die Nachahmung „der Alten“ groß und selber unnachahmlich werden, war neu, weil er sich mit ihr auf die hellenistische Kultur bezog, während man sich bislang vor allem an der römischen Antike orientiert hatte. Winckelmann sah in der griechischen Kunst die Verschmelzung von Natur und Ideal.

Laokoon, "Edle Einfalt und stille Größe"

Das "Wesen der Kunst" nach Martin Heidegger (1889-1976)

Heidegger beschreibt in seiner Arbeit über den "Ursprung des Kunstwerks" (1936) das „Wesen der Kunst als das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit des Seienden”, die dem Philosophen diskursiv nicht zugänglich ist. Diese „Wahrheit des Seienden”, die das Kunstwerk „entbirgt” (bewusst macht), liegt in der vorgängigen Erschlossenheit des Seins, im Sinnhorizont, in dem uns die Welt immer schon gegeben ist, der sich uns als Horizont aber notwendig entzieht. Das Kunstwerk macht diesen ansonsten abgedunkelten Sinnhorizont sichtbar, ohne ihn allerdings vollständig aufzuklären und diskursiv abzuarbeiten; es „lichtet” das Sein vielmehr in seiner Dunkelheit, es erhebt die „Erde” (für Heidegger ein Symbol des sich jeglicher Diskursivität entziehenden Vorbewussten) zur „Welt” (dem Inbegriff des diskursiv „Gelichteten”): „Indem das Werk eine Welt aufstellt, stellt es die Erde her. […] Das Werk rückt und hält die Erde selbst in das Offene einer Welt. Das Werk lässt die Erde eine Erde sein”. Im Kunstwerk und nur im Kunstwerk offenbart sich Wahrheit als nicht stillzustellendes Wechselspiel von Diskursivität und Nichtdiskursivem.

Das blendende und erhellende Licht der platonischen Sonne bleibt für den Menschen unerträglich, für seine Wahrnehmungsorgane tötlich und für seine Erkenntnis ein schwarzes Feld, an dem er sich in einem unendlichen Prozess nach Sinn abarbeiten kann. Es bleibt der kreative Akt als bestätigende Selbsterschaffung des Menschen. In diesem Bereich wird "Erde" hergestellt und dabei das "Sein" in seiner Dunkelheit "gelichtet". Das schwarze Quadrat wird gewandelt und im Wechselspiel kommunikativer Akte zu sinnerfüllender Seinsbestätigung überblendet.

??? 'Wenn es eine Wahrheit gibt, so nur in der Gegenstandslosigkeit, im Nichts.' ???

Malewitsch fragt sich, was eigentlich die sogenannte Wirklichkeit sei. Die Antwort lautet: sie ist das Nichts. Will die Kunst die Urwirklichkeit erreichen, um sich nicht mit Scheingestalten abzugeben, so muß sie gegenstandslos sein. Nur dann wird sie ihr Ziel erreichen.

Das "schwarze Quadrat" von Kasimir Malewitsch (1914-15)